49 Jahre Mehrzweckhalle Böhlen
              "Mit hoher Einsatzbereitschaft und Muskelkraft wurde Großes geschaffen"
                                                    1972 - 1975
                                   Erinnerungen von Dipl.-Ing. Georg Holland
                                                 Ausgangssituation 1971
Die ersten Sportvereine in Böhlen wurden Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts gegründet. Das waren die
Turnvereine "Frei heil"(später "Frisch, Frei, Stark, Treu") und der Arbeitersportverein "Rot Sport". Im Jahre 1920 kam
noch der Arbeiter-Radfahrverein "Waldeslust" dazu. Für ihre Übungsstunden, Wettbewerbe und Veranstaltungen nutzten
diese Vereine die Säle der Gaststätten "Zum Löwen" und "Grüner Baum".
Nach dem 2. Weltkrieg lebte auch die Sportbewegung in Böhlen wieder auf. Den Sektionen Turnen, Gymnastik/
Kunstkraftsport und Tischtennis, die in der Sportgemeinschaft "Einheit Böhlen", später dann in der Betriebssport-
gemeinschaft "Aufbau Böhlen" zusammengefaßt waren, standen die beiden Säle weiterhin zur Verfügung. Auch für den
Sportunterricht der Schule gab es keine anderen Möglichkeiten als die Benutzung eines Tanzsaales. In den 60er Jahren
wurde der Sportunterricht im Saal der Gaststätte "Grüner Baum" durchgeführt. Dieser Zustand war jedoch nicht ideal.
Durch die Entfernung zur Schule wurde viel Zeit auf der Straße verbracht. Im Winter konnte der Saal nur mit einem
Sägespäneofen beheizt werden, der aber nur in unmittelbarer Nähe Wirkung zeigte. Der bauliche Zustand des Gebäudes
war bedenklich und verschlechterte sich immer mehr. Das führte dazu, dass der Saal laut Verfügung der Staatlichen
Bauaufsicht vom 22.02.1972 zum 30.10.1972 für den Aufenthalt von Personen gesperrt wurde. Der Saal musste dann
Mitte der 80er Jahre abgerissen werden. An seiner Stelle wurde ein Wohnhaus als Flachbau auf dem massiven
Untergeschoß errichtet. Nach der Sperrung des Saales mußte der Sportunterricht in einem ehemaligen Werkstattraum
im Möbelwerk, Hauptsraße Nr. 113, abgehalten werden. Dieser Raum hatte einen Betonfußboden und war nur bedingt für
den Sportunterricht geeignet. Es konnte also nur ein Provisorium sein.
                                    Beschluß zum Neubau einer Halle
Ausgehend von der sich abzeichnenden Entwicklung zum Bauzustand des Saales "Grüner Baum" kam es in den letzten
Monaten des Jahres 1971, nach mehreren Beratungen der Gemeindevertretung mit Vertretern der Betriebssport-
gemeinschaft und des VEB Möbelwerk Böhlen sowie des VEB Relaistechnik Großbreitenbach, zu dem Entschluß eine
Turnhalle auf dem Gelände neben der Schule zu errichten. Eine andere Möglichkeit zur grundsätzlichen Lösung des
Problems gab es nicht. Allen Beteiligten war klar, welche Aufgabenstellung und Verantwortung sich aus dieser
Entscheidung für die Gemeinde in den nächsten 3-4 Jahren ergab. Bei der getroffenen Entscheidung war bekannt,
dass die finanzielle und materielle Absicherung eines solchen Vorhaben in den Plänen des Kreises Ilmenau nicht
enthalten war. Auch für spätere Zeiträume bestand keine Aussicht zur Aufnahme in die Pläne. Das bedeutete für uns, die
Realisierung konnte nur außerplanmäßig durch die Mobilisierung örtlicher Reserven erfolgen. Aus dieser Bedingung
ergaben sich im Hinblick auf den erforderlichen Leistungsumfang für ein solches Vorhaben hohe Anforderungen an
die Einsatzbereitschaft und die aktive Mitarbeit aller Verantwortlichen und der gesamten Bevölkerung.
                                         Vorbereitung des Vorhabens
Im Ergebnis der geführten Beratungen erklärte ich mich bereit, die Projektierung des Vorhabens und später auch die
Bauleitung für das Objekt zu übernehmen. Nach Prüfung einiger Varianten war eine konzeptionelle Lösung gefunden.
Das Konzept ging davon aus, die Halle nicht nur für Sportzwecke, sondern auch für andere Veranstaltungen zu nutzen,
also eine Mehrzweckhalle zu schaffen. Dieser Lösungsvorschlag bildete die Grundlage für den Bau eines Modells. Dieses
wurde zum Silvesterball 1971 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Der gezeigte Vorschlag fand großes Interesse und
allseitige Zustimmung. Mit dieser visuellen Darstellung wurde eine erste Grundlage für die breite Mobilisierung unserer
Bürger zur Mitarbeit bei der Realisierung geschaffen. Im Verlaufe der Vorbereitungsphase erklärten sich sehr viele Bürger
unseres Ortes bereit, beim Bau der Mehrzweckhalle eine bestimmte Anzahl von Aufbaustunden im Rahmen der
"Mach mit" Bewegung unentgeltlich zu leisten. Insgesamt gab es Verpflichtungen für ca. 13000 Stunden. Diese
beispielhafte Initiative erfaßte alle Altersgruppen vom Schüler bis zum Rentner, insbesondere die Eltern und Sportler.
Nur wenige standen abseits. Es wurde beschlossen, das Vorhaben in 2 Bauabschnitte zu gliedern und mit dem Bau der
Halle zu beginnen. Zielstellung für die Fertigstellung und Übergabe des 1. Bauabschnittes war der 1. September 1973,
also eine Bauzeit von eineinhalb Jahren mit Winterpause. Im Anschluß war dann die Errichtung des Zwischenbaues als
Verbindung zur Schule vorgesehen. Die zeichnerischen Unterlagen wurden von mir im April 1972 fertiggestellt.
Die statische Berechnung für die Konstruktion übernahm mein Arbeitskollege Dipl.-Ing. Hans Huck aus Gehren.
                                    Realisierung der Mehrzweckhalle
Mit der Beräumung des Baugeländes und den Planierungsarbeiten wurde im zeitigen Frühjahr 1972 begonnen. Als
Grundlage für die Ausschachtungsarbeiten wurde der Fundamentplan am 30. April 1972 abgesteckt. Ab Anfang Mai
begannen die Arbeiten mit dem Ausschachten, Einschalen und Betonieren der Fundamente. Am 14. Mai erfolgte die
Grundsteinlegung durch den Bürgermeister Walter Koch.
Unter Beifall der anwesenden Helfer wurde die mit einem Schreiben zum Anlass dieses Tages und mit Zeitdokumenten
gefüllte Hülse in das Fundament der vorderen Längswand, nahe der Ecke zur Karl-Marx-Straße einbetoniert. Diese
Arbeiten mußten alle manuell, ohne Einsatz von Technik, durchgeführt werden. Der Beton wurde auf der Baustelle mit
dem Betonmischer hergestellt. In den Fundamentbeton ist ein hoher Anteil an Natursteinen eingearbeitet worden
(Konglomeratbeton). Die erforderlichen Steine (viele Fuhren) haben die Jugendlichen unter Leitung von Lehrer Eberhard
Hedwig im Junkertal, nahe dem Antonsitz, zusammengetragen. Mit Unterstützung der LPG und anderer Fuhrunter-
nehmen wurden sie dann zur Baustelle transportiert. Nach Fertigstellung der Fundamente begannen die Maurerarbeiten.
In gut 2 Monaten waren die Umfassungswände, 5,50m hoch, aufgemauert.
Zum Abgleichen der Höhen am Bauwerk, wie Fundamentoberkante, Fensterstürze, Oberkante Ringanker, stand kein
Niveliergerät zur Verfügung. Dazu wurde eine Schlauchwaage genutzt. Das war ein langer Wasserschlauch mit 60cm
langen Glasröhren an den Enden. Mit Wasser gefüllt (System der kommunizierenden Röhren) konnten die Messpunkte
auf gleichem Niveau festgelegt werden. Es war aber auch das Errichten eines Holzstangengerüstes rund um die Halle
notwendig. Die hierfür erforderlichen Stangen mußten vorher im Wald geschlagen und antransportiert werden. Für den
Materialtransport nach oben stand kein Aufzug zur Verfügung. Das erfolgte alles mit Rolle und Seil bzw. manuell von
Gerüstboden zu Gerüstboden. Dieses riesige Arbeitspensum konnte nur durch die beeindruckende Mitarbeit vieler Helfer
geschafft werden. An jedem Wochenende, d.h. Sonnabends ganztägig und Sonntags bis Mittag, wurden Großeinsätze
durchgeführt.
Während der Woche erfolgte die Vorbereitung der Einsätze und die Durchführung von Arbeiten mit geringerem
Leistungsumfang. Schwerpunkt war jede Woche die Beschaffung des benötigten Baumaterials und das Organisieren der
notwendigen Arbeitskräfte.
Die Verantwortlichkeit für die Materialbeschaffung lag in den Händen vom Bürgermeister Walter Koch. Hierbei gab es
hervorragende Unterstützung durch die Betriebe VEB Möbelwerk Böhlen und VEB Relaistechnik Großbreitenbach. Ohne
diese beiden Betriebe wäre die materialseitige Absicherung des Vorhabens nicht möglich gewesen. Die kostenlose
Bereitstellung von Baumaterial trug auch wesentlich zur finanziellen Absicherung des Vorhabens bei. Die in diesen
Betrieben in verantwortlichen Funktionen tätigen Hans Ludwig, Kurt Weiß, Hans Heß und Hans Schneider haben alle
Möglichkeiten zur Unterstützung des Vorhabens erschlossen. Eberhard Hedwig hat jede Woche die Helfer organisiert und
dafür persönlich viel Zeit geopfert wenn er durch den Ort "gesaust" ist. Er hat es immer wieder verstanden, die für die
jeweils geplanten Arbeiten erforderlichen Fachkräfte anzusprechen und zur Mitarbeit zu gewinnen. Dieses war die
Voraussetzung für die vielen erforderlichen Einsätze. Dieser Elan der ersten Wochen war bei der weiteren Realisierung
ungebrochen. Anfang August wurde die Stahlbewehrung für den Ringanker der Halle eingebaut und anschließend die
Einschalung vorgenommen. Für die Bewehrung waren 1830 kg Rundstahl der verschiedenen Durchmesser und Längen
zu verarbeiten.
Da der Ringanker ohne Unterbrechung betoniert werden musste, wurde am 19. August ein Großeinsatz durchgeführt. Es
waren Arbeitskräfte für 2 Schichten organisiert worden. Der Einsatz begann um 5.30 Uhr und zog sich bis in die
Nachmittagstunden hin. Hauptproblem war der Betontransport auf eine Höhe von 5,50 m. Betonpumpen gab es zu dieser
Zeit nicht. Als praktikable Lösung wurde am Gerüst zur Karl-Marx-Strasse ein Rüstbaum mit Schwenkarm und Seilrolle
errichtet. An mehreren Schubkarren sind je 3 Ösen angeschweißt worden. Diese Schubkarren, voll mit Beton, wurden
dann mittels Seilwinde nach oben gezogen und auf das Gerüst eingeschwenkt. Auf dem oberen Gerüstboden konnte
rund um die Halle gefahren und der Beton eingebracht werden. Die Entleerung der Schubkarren erfolgte per Schaufel.
Es waren aber auch einige kräftige, junge Männer dabei, welche die vollen Schubkarren hochhoben und in die Schalung
entleerten.
Am Mischplatz vor dem Feuerwehrgerätehaus waren 2 Mischer in Betrieb um die notwendigen 15 cbm Beton herzu-
stellen. Diese Menge entspricht einem Gewicht von ca. 33 t, die transportiert werden mußten. Während der Arbeiten fiel
plötzlich der Motor der Seilwinde aus. Kurz entschlossen wurde das Seil an eine Eidechse (Vorgänger des heutigen
Multicar) gehängt. Durch Vor- und Rückwärtsfahren konnte das Hochziehen der Schubkarren ohne großen Zeitverzug
fortgesetzt werden. Das war nur ein Beispiel, das zeigt, unter welchen Bedingungen manche Arbeiten durchgeführt
werden mußten. Dabei waren oft Zugeständnisse bei der Einhaltung der einschlägigen Arbeitsschutzanordnungen zu
verantworten. Als nächste Großaktion stand der Aufbau der Dachkonstruktion an. Die Dachbinder mit einer Spannweite
von 18 m wurden im Holzkombinat Ilmenau gefertigt. Der Antransport zur Baustelle erfolgte in 2 Hälften. Sie wurden
dann vor Ort unter Leitung von Zimmermann Martin Hopf zusammengebaut und standen zur Montage bereit. In jedem
Binder sind 1,8 cbm Schnittholz (Bohlen) der verschiedensten Abmessungen verarbeitet. Die Knotenpunkte der Diagonal-
bzw. Vertikalstreben mit Ober- bzw. Untergurt werden durch 2884 Nägel von 100 bis 140 mm Länge und 58 Sechskant-
schrauben M10 bzw. M12 zusammengehalten. Daraus ergibt sich ein Gewicht von knapp 2 t pro Binder.
Die Montage erfolgte dann am 21. September 1972 mit einem Autokran aus Neuhaus. Der Kran wurde in diesem
Zeitraum in der Schmiede von Theo Schneider repariert. Zur Prüfung der Qualität der Reparaturleistungen
(Schweißarbeiten), bot sich an, die Bindermontage vorzunehmen. Es wurden an den beiden Giebelseiten der Halle je
3 Binder hochgesetzt und gesichert. Ein Problem war das Ausklinken des Kranhakens in schwindelnder Höhe ohne jede
Sicherung. Diese wagemutige Tat übernahmen Günter Henkel und Peter Lippold, die auf den Binder hoch balancierten.
Für das Absetzen der Binder an der richtigen Position im Abstand von 3 m, war der Kranausleger zu kurz. Die seitliche
Verschiebung der Binder auf dem Ringanker in die richtige Position erfolgte dann auf gehobelten Bohlen aus Buche,
die mit Schmierseife bzw. Altöl eingestrichen waren. Die Bewegung konnte nur Stück um Stück, wechselnd auf den
einzelnen Seiten, vorgenommen werden. Der Binder wurde dabei vom Hallenboden mit langen Stangen und Seilen
gegen Umkippen in beiden Richtungen gesichert. Das war unter den gegebenen Bedingungen eine sehr gefährliche
Arbeit. Nach dem Einbau der Verstrebungen zwischen den Bindern und dem Aufbringen der Pfetten war die Stabilität
der Konstruktion erreicht. Die Dachschalung, ca. 450 qm, wurde in einem Einsatz am 7. Oktober 1972 aufgebracht.
In den darauffolgenden Tagen erfolgte die Eindeckung des Daches mit einer Lage Dachpappe. Damit war die Halle von
oben her dicht.
Parallel zu den letztgenannten Arbeiten wurde im September auch an der Einbringung des Hallenbodens gearbeitet.
Für das Packlager waren eine Unmenge von Steinen erforderlich. Diese wurden von den älteren Schulkindern im Wald
zusammengetragen. Die Lehrer nutzten dazu oft die Sportstunden. Nach einem Ausdauerlauf bis ins Kurautal war die
Zielsetzung stets ein großer Haufen Steine. Nachdem die Steine fachgerecht gesetzt waren, konnte die Betonplatte,
Abschnitt um Abschnitt, gegossen werden. Mit weiteren Einsätzen im Oktober erfolgte die Winterfestmachung der Halle.
Noch vorhandene Baumaterialien wurden in der Halle eingelagert. Dabei halfen die Schüler wieder tüchtig mit. Zum
Transport der Hohlblocksteine hat der Lehrer Egon Ludwig extra eine Tragehilfe konstruiert und im Werkunterricht mit den
Schülern gebaut.
Die hohe Zielstellung des 1. Jahres war damit erreicht. Nun konnte der Winter kommen. Nach der Winterpause gingen im
Frühling die Arbeiten mit dem Innenausbau der Halle weiter. An Maurerarbeiten waren das noch der Einbau der Galerie.
Die Wände erhielten innen einen 2-lagigen Putz. Die großen Fenster an der Längswand wurden von der Tischlerei Günter
Leipold angefertigt und eingesetzt. Die Fenster an der Rückseite lieferte die Tischlerei Rudi Hartwich. Die Türen
übernahm die Tischlerei Lange. Die Stahlkonstruktion für die Treppe und das Brüstungsgeländer der Galerie mußten
gefertigt und montiert werden. Ein großer Arbeitsaufwand war für den Einbau der Deckenverkleidung erforderlich.
Verantwortlich für diese Arbeiten waren Günter Henkel und Martin Hopf. Sie organisierten die Herstellung der
Deckenplatten (Zuschneiden, Pressen, Lackieren) im Möbelwerk außerhalb der Arbeitszeit. Danach erfolgte unter ihrer
Anleitung die Montage in der Halle. An diesen Leistungen beteiligten sich hauptsächlich die Fachleute aus dem
Möbelwerk. Der Elektroanschluß für den Neubaukomplex einschließlich dem Schulgebäude sollte von der Freileitung in
der Karl-Marx-Strasse erfolgen. Die notwendigen Anschlußarbeiten sowie die zentrale Verteilung wurden von der
PGH Elektro-Rundfunk-Fernsehen Ilmenau, Außenstelle Großbreitenbach, im August/September 1973 realisiert.
Die Installation der Halle erfolgte in eigener Regie durch die entsprechenden Fachkräfte.
Die in der Halle erforderlichen Malerarbeiten wurden unter Anleitung von Siegfried Schinzel und Manfred Haucke
durchgeführt. All` diese Ausbauarbeiten zogen sich bis September 1973 hin. Parkett konnte wegen der Feuchtigkeit im
Bau noch nicht verlegt werden und war auch noch nicht vorhanden. Die Heizungsanlage fehlte ebenfalls noch. Im
Anschluß erfolgte das Saubermachen der Halle und das Putzen der Fenster durch die Frauenbrigade (Mütter unserer
Schulkinder).
Die letzten Feinarbeiten gingen bis spät in die Nacht vom 05.10.1973. Damit war die Voraussetzung für die Übergabe der
Halle gegeben.
Die Festveranstaltung fand am 6. Oktober 1973 unter großer Anteilnahme der Einwohner in der neuen Mehrzweckhalle
statt. Der festliche Nachmittag wurde eingeleitet mit einem Kulturprogramm der Schüler, wobei die neue Akkordiongruppe
der Schule ihren Einstand gab. In einer Festansprache würdigte der Bürgermeister Walter Koch die hohe Einsatzbereit-
schaft unserer Bürger und bedankte sich bei allen, die aktiv mitgewirkt haben. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden
ca. 8500 Stunden geleistet. Höhepunkt der Veranstaltung war die Auszeichnung von 129 Bürgern mit der "Mach mit"
Ehrennadel und Geldprämien für die geleisteten Stunden. Nach dem offiziellen Teil nahmen die Kinder und Jugendlichen
ihre Turnhalle in Besitz. Eine aus 8 Mädchen bestehende Turnerriege der BSG Aufbau Böhlen bot Leistungen, die sich
sehen lassen konnten.
                                     Realisierung des Zwischenbaues
In der ursprünglichen Konzeption war der Zwischenbau ohne Unterkellerung vorgesehen. Doch im Verlaufe von
Untersuchungen zur Wärmeversorgung des Objektes mußte dieses Konzept aufgegeben werden. Die bei Projektbeginn
angenommene Möglichkeit der Wärmeversorgung über die vorhandene Heizungsanlage der Schule war nicht realisierbar.
Die Versorgung über eine entsprechende Leitung vom Möbelwerk scheiterte ebenfalls. Daraus ergab sich die
Notwendigkeit, eine eigene Heizungsanlage zu installieren. Für die Unterbringung der Anlage gab es nur noch die
Möglichkeit, den Zwischenbau mit einem Keller zu versehen. Mit der Ausschachtung des Kellers wurde im Sommer 1973
parallel zum Innenausbau der Halle begonnen. Im Anschluß wurden die Kellerwände abschnittsweise eingeschalt und
betoniert. Diese Arbeiten waren sehr umfangreich und materialintensiv. Es mußte viel Kies und Zement beschafft werden.
Dabei gab es mehrfach Versorgungsprobleme, die die Arbeiten verzögerten. Als Füllmaterial in die Wände und später für
das Packlager des Fußbodens wurden große Mengen an Natursteinen gesammelt und herangeschafft. Bei den Arbeiten
in der Baugrube haben auch sowjetische Soldaten mitgeholfen. Sie waren in der Garnison Ohrdruf stationiert und haben
öfters im Möbelwerk und dadurch auch bei unserem Vorhaben Arbeitseinsätze geleistet.
Die Soldaten, 4 bis 6 Mann, waren im Wohnhaus vom Möbelwerk untergebracht und wurden dort versorgt. Als Lohn für
die Einsätze erhielten die Vorgesetzten (Offiziere) der Soldaten Naturalien, z.B. Schränke oder andere Materialien.
Zur Entwässerung des Kellers war es notwendig, einen Kanal in 3,40 m Tiefe vom Zwischenbau in Richtung Karl-Marx-
Strasse zu verlegen. Die Entwässerung der Sanitärräume erfolgte später unterhalb der Kellerdecke zur Kläranlage.
Nach der Winterpause wurden die Arbeiten 1974 mit dem Verlegen und Betonieren der Kellerdecke fortgeführt. Es folgten
die Maurerarbeiten für das Erdgeschoß, Verlegen und Betonieren der Erdgeschoßdecke und das Aufmauern des
Obergeschoßes. Das geschah in den Sommermonaten bis zum September.
Bei diesen Arbeiten mußte, wie bereits in der Turnhalle, auf die einfachsten Hilfsmittel zurückgegriffen werden. Es ist
jedoch zu bemerken, dass bei den vielen Einsätzen diszipliniert und verantwortungsbewußt gearbeitet wurde, denn die
Baustelle blieb immer unfallfrei.
Am 14. September 1974 konnte dann ein zünftiges Richtfest gefeiert werden. Nach Aufbringung der Dachschalung und
Eindeckung mit Dachpappe wurde die Baustelle bis Oktober winterfest gemacht. Der Innenausbau begann 1975 mit dem
Einbau der Trennwände im Erd- und Obergeschoß. Nach Durchführung der Innenputzarbeiten wurden Fenster und Türen
eingebaut. Nach umfangreichen Bemühungen konnte die erforderliche Menge an Fliesen beschafft werden. Diese wurden
dann im August von der Brigade Lückmann in den Sanitärräumen verlegt. Mit dem Einbau der Sanitärinstallation und der
Durchführung der Malerarbeiten war der Zwischenbau bis November 1975 im wesentlichen fertiggestellt. Bis zum Ende
dieses Monates wurden das ganze Jahr über zahlreiche Arbeitsstunden von den Bürgern geleistet. Ausgehend von der
im Keller vorhandenen Grundfläche und der damit nicht vorhandenen Lagermöglichkeit für feste Brennstoffe wurde eine
mit Ferngas betriebene Heizungsanlage vorgesehen. Die Anlage wurde kapazitäzsmäßig so ausgelegt, dass auch das
vorhandene Schulgebäude mit beheizt werden kann. Vor der Planung und Realisierung dieser Variante waren aber
2 Probleme zu klären. Zum einen war die Übertragbarkeit der erforderlichen Gasmenge über die vorhandene Regler-
station am Ortseingang und das Leitungsnetz nicht möglich. Dazu wurde seitens der Energieversorgung Meiningen
vorgeschlagen, die Versorgung über die Hochdruckleitung, welche über die Große Grube führt, mit einer Reglerstation
und eigenen Anschlußleitungen vorzunehmen. Diese Leistungen hätte die Gemeinde aber vorfinanzieren müssen.
Nach weiteren Untersuchungen ergab sich dann aber die Möglichkeit der Rekonstruktion und Erweiterung der
Reglerstation am Ortseingang. Damit war das technische Problem gelöst. Als zweites mußte die Genehmigung zur
Bereitstellung des erforderlichen Heizgaskontingentes erwirkt werden. Bei der damals angespannten Situation der
Gasversorgung war das nicht so einfach. Es bedurfte mehrerer Begründungen und Beratungen bis dann im September
1973 die generelle Genehmigung durch die Energieversorgung Meiningen erteilt wurde. Die Realisierung der Anlage
verschob sich mehrfach, da der Insatllationsbetrieb nicht termingerecht zur Verfügung stand. Die Heizungsanlage wurde
schließlich am 13.01.1977 in Betrieb genommen.
                                                     Nachbetrachtungen
Die gesamte gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung in der damaligen Deutschen Demokratischen Republik
(DDR) basierte auf der Planwirtschaft. Das heißt, alle Maßnahmen der Industrie, der Gemeinden und Kreise mußten in
die Jahrespläne aufgenommen werden. Voraussetzung für die Aufnahme in den Plan war die materiell-technische
Absicherung. Es konnten z.B. im Kreis Ilmenau in einem Planungszeitraum nur soviel Baumaßnahmen aufgenommen
werden wie Baukapazität (Arbeitskräfte und Material) zur Verfügung stand. Das bezog sich nicht nur auf die
Bauhauptleistungen, sondern auch auf andere Leistungen wie z.B. Heizungsbau, Elektroinstallation u.a.. Da der Bedarf
immer wesentlich höher war als die vorhandenen Kapazitäten konnten nur die dringendsten, unaufschiebbaren
Maßnahmen eingeordnet werden.
Unter diesen Bedingungen war in den nächsten Jahren keine Chance zum Bau einer Turnhalle in Böhlen vorhanden.
Als Alternative gab es nur die Möglichkeit im Rahmen der "Mach mit"- Bewegung mit Mobilisierung örtlicher Reserven
das Vorhaben in Angriff zu nehmen. Um dazu die Zustimmung und Genehmigung von den Fachbereichen des Kreises
Ilmenau zu erhalten, bedurfte es einiger Begründungen und Nachweise zur materiellen und finanziellen Sicherung des
Vorhabens. Letztlich wurden diese Institutionen von den zwischenzeitlich geschaffenen Realitäten überzeugt und
stimmten der Beschlußvorlage des Bürgermeisters vom 10.07.1972 zu. Zu diesem Zeitpunkt waren die Wände der Halle
bereits schon zur Hälfte hochgemauert. Das Vorhaben konnte nicht mehr gestoppt werden. Die Bedenken der staatlichen
Stellen waren natürlich nicht unbegründet, denn ein solches Vorhaben nur mit örtlichen Reserven zu realisieren war nicht
möglich. Das erforderliche Material mußte doch irgendwie bereitgestellt werden. Es wurde letztendlich von Planvorhaben
abgezweigt oder sonst wie organisiert. Besonders die eingangs erwähnten beiden Betriebe haben hier große
Unterstützung geleistet. Besonders erwähnt werden muß, dass der Bürgermeister, Walter Koch, über den gesamten
Realisierungszeitraum bis zur Fertigstellung des Gesamtvorhabens immer wieder Anträge und "Bettelbriefe" zur
Beschaffung der erforderlichen Materialien schreiben mußte. Besondere Probleme bei den Ausbauarbeiten waren Fliesen,
Sanitärleistungen, Heizungsbau und Parkett. Die bei der Realisierung erschlossenen örtlichen Reserven waren die
Arbeitsleistungen, die durch unsere Einwohner erbracht wurden. Vom Baubeginn 1972 bis zum November 1975 wurden
nachweisbar 17300 Stunden geleistet. Daran waren über 300 Bürger, vom Schüler bis zum Rentner, beteiligt, ein Teil
davon zwar nur mit einem einmaligen Einsatz, aber der überwiegende Anteil war mehrfach im Einsatz. Allein 42
Einwohner haben mehr als 100 Stunden geleistet. Alle hier aufzuzählen, würde zu weit führen. Die aktivsten Helfer mit
mehr als 200 geleisteten Stunden waren: Walter Koch, Werner Wagner, Georg Holland, Eberhard Hedwig, Artur Lerke,
Horst Ebert, Günter Henkel, Karl-Heinz Günzler, Hans Schneider, Reinhard Heinze, Theo Schinzel, Hartwig Ramm,
Reinhard Kister, Hartmut Riese, Gerhard Fritsch, Bernd Hopf, Egon Ludwig und Bernd Koch. Bei der 1972 eingeleiteten
Verpflichtungsbewegung gingen wir davon aus, alle Einsatzstunden unentgeltlich zu leisten. Das war im ersten Jahr auch
so. Erst 1973 gab es die gesetzliche Möglichkeit, die geleisteten Stunden mit 3,60 Mark zu vergüten. Das wurde dann
auch rückwirkend für 1972 vorgenommen. Für die oben genannte Stundenzahl wurden rund 63000 Mark an die
Beteiligten ausgezahlt. Zum gesamten finanziellen Aufwand für das Vorhaben konnte ich keine Unterlagen finden. Eine
Zusammenstellung wäre auch nicht möglich da, wie bereits erwähnt, ein hoher Anteil, insbesondere an Materialkosten,
über die beiden volkseigenen Betriebe abgerechnet wurde. Aus heutiger Sicht kann man nur feststellen, dass der
Beschluß aus dem Jahre 1971 zum Bau der Mehrzweckhalle eine Entscheidung für die Zukunft unseres Ortes war.
Wäre die Mehrzweckhalle damals nicht geschaffen worden, hätte es in den vergangenen Jahren keine Möglichkeiten zur
Durchführung der vielen Veranstaltungen unterschiedlichster Art gegeben. Der im Gasthof "Zum Löwen" vorhandene
Saal könnte, wegen des geringen Platzangebotes, die "Großveranstaltungen" unserer Vereine und Discoveranstaltungen
nicht aufnehmen. Die Mehrzweckhalle war und ist auch weiterhin eine Voraussetzung für die publikumswirksame
Tätigkeit unserer rührigen Vereine. In Würdigung der Bedeutung dieses Objektes für unsere Gemeinde muß man allen
Beteiligten, die damals eine hohe Einsatzbereitschaft bei der Realisierung zeigten, noch heute eine Anerkennung
aussprechen. Ich hoffe, dass, wie in den vergangenen Jahren auch weiterhin, die notwendigen Aktivitäten zur Erhaltung
und Modernisierung von der Gemeinde eingeleitet und durchgeführt werden. Zur Erhaltung und Pflege des Objektes
sollten aber auch die Nutzer, in der Hauptsache unsere Vereine, ihren Anteil mit beitragen. Denn dieses ist eine
Voraussetzung, damit das Objekt noch einige Jahrzehnte von unseren Kindern und Enkeln genutzt werden kann.
Das dieses so sein wird, dessen bin ich mir sicher, denn die Gebäude stehen auf einem soliden Fundament.
Für die Angaben zu den geleisteten Arbeitseinsätzen standen mir Unterlagen der Gemeinde zur Verfügung.
Besonders danken möchte ich Isolde Ebert, für die Bereitstellung der Diaaufnahmen aus dem Nachlass ihres Mannes
Horst Ebert.
Böhlen, im November 2003
Bearbeitet von Annekathrin Holland
Text: Georg Holland
Bilder: Horst Ebert
Foßbsche